Seit Jahrzehnten schreibe ich für andere. Jetzt möchte ich ab und zu meine eigenen Gedanken posten:
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Sanlúcar de Barrameda
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Februar 2023
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Travel
Costa de la Luz – und die Bedeutung des Lichts
Die Atlantikküste Andalusiens, in etwa von Tarifa bis Sanlúcar de Barrameda, nennt man Costa de la Luz, die Küste des Lichts. Wer wie ich im Norden Deutschlands wohnt, weiß das Licht besonders zu schätzen. Vor allem in den düsteren Wintermonaten. Ob Winter oder Sommer, sonnenklar oder gelegentlich bewölkt, ist es das besondere Licht, welches das Leben in Sanlúcar de Barrameda speziell auszeichnet. Die wohltuende Helligkeit aus einem meist strahlend blauen Himmel tut der Seele gut. Aber warum eigentlich?
Ich fange erstmal mit dem Gegenteil an: In den Wintermonaten geht mir das sprichwörtliche norddeutsche Schmuddelwetter auf den Geist – tage- oder wochenlang bewölkt und dafür kalte, sonnige Wintertage eher die Ausnahme. Diesmal ist mir das charakteristische Licht an der Küste des Lichts besonders aufgefallen. Es hat mir gutgetan. Da habe ich angefangen, über die tiefere Bedeutung des Lichts nachzudenken.
Mir fällt dazu eine Zeile von Leonard Cohen ein: „There’s a crack in everything. That’s how the light gets in.“ Neben dem Lob auf die Unvollkommenheit von Menschen und Dingen hebt Cohen hiermit das Licht hervor. Als wichtiges Fest des Judentums war ihm Chanukka, das achttägige Lichterfest, vermutlich ein prägendes Erlebnis in jungen Jahren. Auch im Christentum spielt Licht eine zentrale Rolle, z.B. im Johannesevangelium, wenn davon berichtet wird, dass Jesus Christus sagt: „Ich bin das Licht der Welt.“ Ein Vers, der auch vor dem Hintergrund der nächtlichen, auf ganz Jerusalem ausstrahlenden Festbeleuchtung im Vorhof des Tempels beim Laubhüttenfest zu verstehen ist.
Uns tut es gut, wenn Orte oder Menschen das Licht (Gottes) aufleuchten lassen.
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Schmalfeld
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December 2022
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Economy
Britain’s economic decline
Downhill for decades
Three prime ministers in as many months, four chancellors of the exchequer, ministers coming and going like on a roundabout: 2022 hasn’t been a good year for Britain. Some would say the country become an international laughing stock. Parallel to the political chaos in London comes the country’s dramatic economic decline. Two key parameters point to the size of the problem:
• GDP per person rose in Britain by just 7% from 2007 to 2022, in Germany by 13%.
• Productivity measured in GDP per hour worked rose by 4% in Britain from 2007 to 2022, in Germany by 11%.
Britain’s poor growth performance over the past 15 years has come from working longer hours, not working more efficiently.
The ultimate economic own goal was Brexit. Leaving the EU made Britain’s imports more expensive through the fall in the value of sterling, exports to its most important market (the EU) more difficult and more expensive, and access to much-needed manual labour almost impossible. So why all this self-inflicted harm?
Sathnam Sanghera, author of “Empireland”, writes that “the original sin behind Brexit is empire”. The Irish author Fintan O’Toole says “England never got over winning the war”. When you look at the way right-wing British politicians talk to EU negotiators, you’d think their mindset hasn’t moved on from 1940. Boasts about Britain having the best healthcare, armed forces or football team ring hollow. The pursuit of pure sovereignty, as in the Brexit rallying call to “take back control”, is plain stupid in an age of global pandemics, climate change and totally interdependent economies.
In a post-imperial, post-industrial, keenly competitive world Britain’s long-term productivity gap and skills shortage will continue to damage its economic prospects. England, especially, is still a class-ridden society where those at the bottom of the ladder see no way up, and those at the top enjoy unearned privileges. “A highly original quality of the English is their habit of not killing each other,” wrote George Orwell in 1947. Three quarters of a century later, this compliment fortunately still applies. But as The Economist recently pointed out, “The cradle of the Industrial Revolution has not yet found a secure niche in the 21st-century economy.” It certainly needs to soon.
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London
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November 2022
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Travel
Die alte Heimat neu betrachtet
Wie geht es eigentlich England?
„Eat or heat” bei vielen ärmeren Familien, Inflation bei 15%, höchste Steuerlast seit dem 2. Weltkrieg, niedrige Produktivität, Brexit bedingte Exporteinbrüche, steigende Importkosten: Von außen betrachtet scheint es den Briten deprimierend schlecht zu gehen. In den letzten Monaten prägten solche Meldungen in der „Guardian Online“ oder „Economist“ meinen Blick auf die alte Heimat. An den Fakten ist nicht zu rütteln. Erst im Jahre 2027 wird der durchschnittliche Lebensstandard der Briten geschätzt wieder so hoch sein wie im Jahre 2009!
Zudem herrscht seit 12 Jahren eine Misswirtschaft durch Regierungen der „Conservative“-Partei. Allein in diesem Jahr hat die Partei drei Premierminister und vier Wirtschaftsminister verschlissen. Die 50-tägige Regierungszeit von Liz Truss – als kürzeste in der Geschichte des Landes berühmt-berüchtigt – brachte das Land und viele Pensionsfonds an den Rand der Zahlungsunfähigkeit sowie eine Verdoppelung des Zinssatzes für Hauskredite – in einem Land mit einer sehr hohen Eigenheimquote und eine Hausfinanzierung bei häufig 80-90% Fremdkapital.
Und trotzdem …
Nach einer Woche in London und bei diversen Gesprächen stellte ich fasziniert fest, dass die Einheimischen keinesfalls so „fertig“ sind, wie die Gesamtsituation vermuten ließe. Im Gegenteil. Sie sind gut gelaunt, gehen ihrer Arbeit normal nach und beschäftigen sich mit ganz anderen Themen: Wer fliegt bei der dieswöchigen Runde von „Strictly Come Dancing“ raus? Übrigens auch für mich als Nichttänzer eine äußerst unterhaltsame TV-Sendung. Wie schlägt sich die Nationalmannschaft bei der WM? Oder wie geht es dem ehemaligen Gesundheitsminister Matt Hancock bei seinem lukrativen Aufenthalt im australischen Dschungel-Camp („I’m a Celebrity“)?
Fazit: Während vieles in Deutschland harsch kritisiert wird – in der Öffentlichkeit, durch gewisse politische Parteien und in vielen Medien (Meckern auf hohem Niveau, sage ich), machen zumindest die Londoner das Beste aus einer miesen Lage durch eine bemerkenswert positive Lebenseinstellung. „Good for them!“ sage ich dazu. Definitiv nachahmenswert.
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Sanlúcar de Barrameda
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September 2022
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Travel
Schmalfeld-Sanlúcar mit der Bahn
Von Schmalfeld nach Sanlúcar – 3.000 Km mit der Bahn
Der Flug von Hamburg nach Jerez de la Frontera dauert 3,5 Stunden, eine Autofahrt an die Atlantikküste von Andalusien 3-5 Tage. Wie wäre es mit der klimafreundlichen Alternative per Bahn? „The climate is right for trains“: Mit dem Spruch haben wir vor Jahren für Bombardier Werbung gemacht. Aber wie realistisch ist so eine 3.000 Km-Bahnfahrt? Ich wollte es wissen.
ICE fast pünktlich!
Freitag kurz vor 8 Uhr ging die Fahrt in Hamburg los. Bis Baden-Baden mit dem ICE. Angesichts der gewöhnlichen Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn hatte ich mir zwei Stunden Umsteigezeit gelassen. Hätte nicht nötig getan. Mein ICE hatte nur 7 Minuten Verspätung! Macht nichts, dachte ich: in Baden-Baden kann ich mir ein schönes Mittagessen gönnen. Denkst Du. Der Bahnhof liegt 5 Km vom Stadtzentrum entfernt und außer einer Bäckerei und einer Imbissbude gibt es dort gar nichts. Im 19. Jahrhundert wollten die Stadtväter Baden-Badens wohl „die böse Eisenbahn“ weit weg von ihrer schönen Stadt haben. Das kenne ich von Oxford. Ist nicht anders. Die Currywurst von der Imbissbude hat aber geschmeckt.
TGV/AVE nicht
Der TGV kam mit 30 Minuten Verspätung in Baden-Baden an – „aufgehalten durch einen vorausfahrenden Zug“, wie die übliche Ausrede bei den DB-Durchsagen heißt. Anders als in Frankreich und Spanien hat man in Deutschland keine separaten Gleise für Hochgeschwindigkeitszüge. Diese Verspätung konnte mein TGV bis Avignon nicht mehr aufholen. In der Nähe des TGV-Bahnhofs, der am Rande von Avignon liegt, gibt es weit und breit keine Essmöglichkeiten – außer bei MacDonalds. Ein Cheeseburger um 22:30 – haute cuisine.
Bahnfahren in Spanien – tückisch
Am nächsten Morgen ging es um 08:40 nach Madrid. Frühstücken kann man am TGV-Bahnhof gut (aber teuer). Obwohl über die SNCF gebucht, war der TGV ein Hochgeschwindigkeitszug (AVE) von RENFE, der spanischen Bahngesellschaft, was sich als sehr ungünstig erweisen würde. Ich hatte auf eine pünktliche Ankunft in Madrid gesetzt, weil ich nur 20 Minuten Umsteigezeit für den AVE nach Jerez de la Frontera hatte. Kein Problem, dachte ich mir: Ankunft und Abfahrt am selben Puerto de Atocha-Bahnhof. Mein AVE hatte 15 Minuten Verspätung. Mit einem Sprint zum Bahnsteig des AVE nach Jerez hätte ich den Zug gekriegt. Aber weder über die RENFE-Website noch auf Anfrage beim Schaffner war‘s möglich, den Bahnsteig des Jerez-Zuges zu erfahren. Und es gibt es keine Zuginformationen auf den Bahnsteigen! Der Schaffner sagte mir und einem französischen Paar, wir sollten am Ankunftsbahnsteig warten, weil uns geholfen werde. Es kam keine Hilfe und der Jerez-Zug fuhr von einem nahen Bahnsteig vor unseren Augen weg. Wenn wir den Bahnsteig gewusst hätten, wären wir über eine Brücke in zwei Minuten da gewesen und hätten den Zug gekriegt.
Nicht mal Geld zurück
Was nun? Der letzte Zug nach Jerez war weg. Ich ging zum RENFE-Service-Schalter und erklärte, dass ich durch die Verspätung des RENFE-Zuges aus Avignon den AVE nach Jerez verpasste hatte. Obwohl ich die Verspätung nicht verschuldet hatte, gab es keine Umbuchungsmöglichkeit, weil ich Avignon-Madrid über SNCF gebucht hatte und Madrid-Jerez über RENFE. So viel zum grenzübergreifenden europäischen Bahnverkehr!
Übernachten in Madrid und am nächsten Morgen nach Jerez? Ich schaute auf den Fahrplan und entschied mich für einen AVE nach Sevilla. Von dort nahm ich den letzten Media Distancia-Zug nach Jerez, wo ich drei Stunden später als geplant gegen 23 Uhr ankam. Unser Freund José hätte mich in Jerez um 19:45 abgeholt, aber die MFG hatte ich natürlich abgesagt. Nun blieb mir nichts anders übrig als ein Taxi zu unserer Wohnung in Sanlúcar de Barrameda zu nehmen. Der verpasste Zug in Madrid kostete mich insgesamt 130 EUR.
Überwiegend positives Fazit
3.000 Km Hochgeschwindigkeitsbahnfahren in zwei Tagen: Die Züge waren bequem, die Landschaften abwechslungsreich, die Reise bis Madrid entspannt. Während beim ICE max. 250 km/h erreichte wurde, fuhren die AVEs teils deutlich schneller als 300 km/h. Angesichts der Entfernungen in Spanien ist das gut so. Aber Speed ist nicht alles. Pünktlichkeit wäre noch wertvoller. Außerdem habe ich gelernt, dass man beim Umsteigen auf spanischen Bahnhöfen deutlich mehr Zeit einplanen muss. Erst in der Eingangshalle ist zu erfahren, von welchem Bahngleis ein bestimmter Zug geht. Erfahren musste ich auch, dass der TGV-Bahnhof in Avignon für eine Übernachtung sehr ungünstig außerhalb liegt. Nächstes Mal will ich eine andere Bahnroute an die Atlantikküste von Andalusien ausprobieren.
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Schmalfeld
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September 2022
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Thoughts
A republican’s thoughts on the death of QE2
I suppose it all began at school in our A-level history course when we were doing the English Civil War. Our course split in two groups – Roundheads and Cavaliers – depending on the respective sympathies for the Parliamentarians (Cromwell’s crew) or Royalists (Charles I’s lot). I was a Roundhead and have remained a republican (in the British sense) ever since.
I’ve never consciously known any other sovereign than Queen Elizabeth II. She was undoubtedly a “good queen”, worked hard and was very well paid for doing her job. For that kind of money I’d have worked hard too. But she also stood for the British class system with all its inequalities.
She was its pinnacle, foundation and raisin d’être. As someone who experienced the downside of that class system at Oxford University – where merit often counts less than the school your parents paid for and having the “right” accent – I was never able to go along with the seemingly uncritical enthusiasm most English people show for the Royals.
Decades ago after completing my degree, I left Britain to live first in Austria and then in Germany. The decision to emigrate had quite a lot to do with wanting to get away from the class system and work in a real meritocracy. And I’ve never much felt like going back. So RIP, Liz, and may your son prove less captive to centuries-old traditions and class constraints.
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Sanlúcar de Barrameda
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September 2022
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History
Vuelta al Mundo & La Vuelta
Den 6. September in Sanlúcar de Barrameda werden Zehntausende lange in Erinnerung behalten. Gefeiert wurde der 500. Jahrestag der Heimkehr der „Viktoria“ von der ersten Weltumsegelung („V Centenario I Vuelta al Mundo“) und der Start der 16. Etappe der Spanienradrundfahrt La Vuelta in der Stadt an der Mündung des Rio Guadalquivir.
Nach monatelangen Vorbereitungen und zahlreichen Messen in Sanlúcar-Kirchen hatte Magellans Flotte bestehend aus fünf Schiffen und 239 Mann die Hafenstadt am 20. September 1519 verlassen. Am 6. September 1522 kam lediglich ein Schiff mit 18 Mann zurück. Alle anderen waren unterwegs gestorben oder verschollen. Magellan ließ sein Leben auf den Philippinen. Sein treuer Kapitän Juan Sebastián Elcano schaffte die Rückreise in der „Viktoria“. Gefeiert wurde das Ereignis u.a. abends mit einer spektakulären Aufführung von „Magallanes – Requiem In Memoriam“, das viele Tausende Besucher anlockte.
Morgens hatte ein „Wanderzirkus“ Zehntausende angelockt. Die zahlreichen La Vuelta-Team-Fahrzeuge rollten an. Auf einer großen Bühne wurden die Massen eingeheizt und die Fahrer-Teams nach und nach präsentiert. An der Promenade kämpfte man um die besten Foto-Positionen für den Start. Aber egal wo man stand – das kann ich bestätigen – sah man wegen der Menschenmassen nicht allzu viel von den Fahrern. Egal. Dabei sein war alles. Und was für eine Show! Ein unvergesslicher Tag.